Geister sind auch nur Menschen

Tschechische Erstaufführung am 17. Juni 2021 am Nationaltheater Prag

Regie: Kamila Polívková

Zwischen Selbstbeherrschung und Selbstentfaltung paßt immer noch ein männlicher Blick, eine tastende Hand, ist die Wunschfigur nur eine fixe Kryolipolyse entfernt. Katja Brunner schreibt über »Frauenkörper«: über weiblich identifizierte Existenzen als Anschauungsmaterial und Ausstellungsobjekte, Wunschvorstellungen, Projektionsflächen und Kampfplätze. In zu enge Räume und Kleider gezwängt, drängen sich junge und alte, allzu zarte und überbordende, sich krümmende und ausdehnende Leiber, die es der Sprache nicht recht machen können und über die trotzdem alle reden.

Davon gibt es einige in Katja Brunners Text: Prinzessin Selda, pixelgewordene Phantasieoberfläche, rekelt sich willenlos auf dem Bildschirm. Das Hungermädchen wartet auf das Verschwinden und ein anderes auf seine Mutter, die entschieden hat, das Haus nie wieder zu verlassen. Eine selbsternannte Rebellin probiert die Masken der Weiblichkeit, während sich eine andere fragt, wem eigentlich diese Hand da gehört, die sich mit ihrem Bein befaßt. Dabei dröhnt der Chor der Bulimiker*innen durch die Textflächen.

Deutsche Erstaufführung 17. März 2017 am Schauspiel Leipzig

Regie: Claudia Bauer

Presse

Brunner, geboren 1991, hat eine Wutrede geschrieben gegen die Zumutungen des Alters, deftig und derbe und auch mal ordinär. Sie lässt wirre Gedanken emporwirbeln, aus den Tiefen gelebter Leben. Und doch ist ihr Text nicht depressiv, er steckt voller Sehnsucht: Sehnsucht nach dem Tod, aber auch Sehnsucht nach dem Leben, nach Sex und kleinen Süchteleien, Alkohol und Kippen, nach Berührungen ohne Handschuhe, "ohne den Geschmack von Funktionalität".

Tobias Becker im SPIEGEL

„Eine grobe, harte und auch sehr verzweifelte Puppenspielkonstellation über den Verlust der Selbstbestimmung im Alter.“

Deutschlandradio Kultur

„Ohne Effekthascherei, gut austariert zwischen Realismus und Abstraktion. [...] Durchweg überzeugend und angemessen minimalistisch gespielt von Andreas Dyszewski, Timo Fakhravar, Sophie Hottinger, Julia Preuß, Katharina Schmidt und Florian Steffens.“

LVZ

„Diese Mischung zwischen Brunner auf der Autorenseite mit dieser Analyse des Zustands des Alterns und gen Tod driften und gleichzeitig die Verpackungsstrategien von Claudia Bauer und ihrem Bühnenbildner Andreas Auerbach, die funktionieren in Leipzig ganz fabelhaft. [...] Ein Abend, der sich sehr lohnt.“

MDR Kultur

„Manchmal humorvoll überzeichnend, dann wieder berührend nah an der Realität. […] Eine wunderbare Produktion.“

mephisto 97.6

„Radikal körpersprachlich. [...] Bei aller comichaften Überzeichnung durch die Körperkostüme dringt ein Rest Menschlichkeit aus den Figuren hervor. Das liegt vor allem am ergreifenden Spiel, das die existenzialistische Ebene sehr expressiv überträgt. Dessen Wirkung wird durch die Nähe zum Publikum unterstützt. Oft sind es nur die Blicke, das Augenspiel der Darstellenden, aus denen ein Funke Humanes überspringt und um Humanität fleht.“

nachtkritik.de

„Regie und Ensemble schaffen es, aus dieser schrägen Horrorshow herumgeisternder, latent ekliger Alter immer wieder liebenswerte Zerbrechlichkeit und trutzigen Lebenswillen hervorleuchten zu lassen.“

reihesiebenmitte

„In der kleinen, für die Entdeckung zeitgenössischer Texte namhaft gewordenen Spielstätte "Diskothek" des Schauspiels Leipzig lässt Regisseurin Claudia Bauer ein energetisches Sextett auftreten. [...] Mit kraftvoll grotesken Bildern arbeitet Bauer gegen den latent stagnierenden, weil sich ausgiebig in gängigen Verfallsansichten suhlenden Text an.“

Theater heute

„Sprachgewaltig ist der Text, voll von Metaphern, die das Unsagbare, das unausweichliche Gefühl des Alterns in eine literarische Form zu bringen versuchen.“

KULTURA EXTRA



Uraufführung 8.5.2015 am Luzerner Theater

Regie: Heike M. Goetze


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